Stuttgart, 21. August 2020 – Als Reaktion auf den Beitrag Protest gegen Landespflegekammer wirkt, welcher am 20. August 2020 auf Seite 6 der Stuttgarter Zeitung (StZ) erschienen ist, wendete sich Vorsitzende Susanne Scheck heute mit nachfolgendem Leserbrief an die Redaktion der StZ.

Klatschen allein genügt nicht

Der gestrige Beitrag „Protest gegen Landespflegekammer wirkt“ der Stuttgarter Zeitung im Ressort Landespolitik hat mich als Vorsitzende der Württembergischen Schwesternschaft vom Roten Kreuz e. V. und vor allem als examinierte Krankenschwester mehr als irritiert. Denn: Von einem „hochumstrittenen Vorhaben“ zu sprechen, welches „neue Kosten in Millionenhöhe“ verursacht entbehrt jeglicher Grundlage.

Den angesprochenen Diskurs führt aktuell nicht die Pflege selbst. Es wird wieder einmal von anderen Berufsgruppen für die Pflege gesprochen. Ein Vorgehen, dass wir professionell Pflegenden leider zur Genüge kennen.

68%, die überwiegende Mehrheit der befragten Pflegenden, haben sich in einer repräsentativen Umfrage in aller Klarheit und im Bewusstsein der Auswirkungen für eine Pflegekammer in Baden-Württemberg ausgesprochen. Die größte Gruppe des Gesundheitswesens hat deutlich gesagt: Wir verdienen eine eigene Stimme. So wie dies in fast allen anderen EU Ländern bereits seit Jahrzehnten gehandhabt wird.

Wenn wir das Ziel haben, dass unser Gesundheitssystem eine nahtlose, qualitativ hochwertige und vor allem auch erschwingliche Versorgung der Bevölkerung bieten soll, dann kann auf die Expertise der größten Berufsgruppe, der Pflege nicht verzichtet werden. Alle Dienstleister in diesem Bereich müssen auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Wir, die professionell Pflegenden, arbeiten an fast allen Nahtstellen der medizinischen Leistungserbringung und spielen selbstverständlich eine wichtige Rolle die Ziele der Medizin, der Pflege, der Einrichtungen und auch der Politik umzusetzen.

Wir pflegen hilfsbedürftige, kranke und sterbende Menschen alle Altersstufen in allen Versorgungsbereichen – stationär, teilstationär, ambulant, akut, rehabilitativ, palliativ und in der Langzeitversorgung.

Deshalb ist es unabdingbar, dass Veränderungsprozesse in diesen Sektoren von uns Pflegenden mitgestaltet werden, um eine effektive, qualitativ hochwertige, bezahlbare medizinisch-pflegerische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Diese Mitgestaltung erstreckt sich auf organisatorische, regulatorische und natürlich auch gesetzliche Veränderungen.

Um dieser Rolle gerecht zu werden, brauchen wir die Institutionalisierung durch eine Pflegekammer, die den anderen Kammern im Gesundheitssektor gleichgestellt ist.

Seit Jahrzehnten kämpfen professionell Pflegende darum gehört und ernst genommen zu werden. Wir sind die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen und dennoch diejenigen, die kaum Beachtung finden. Der sogenannte Protest kommt nicht von der Pflege selbst. Erneut werden wir Pflegenden entmündigt. Man stellt sich die Frage: Wer hat ein Interesse daran uns weiterhin klein zu halten? Und als Gedanken zum Schluss: Die etablierte Ärzte- oder Apothekenkammer stellt auch niemand in Frage.

Mit freundlichen Grüßen
Susanne Scheck

Oberin Susanne Scheck
Diplom-Pflegewirtin (FH)
Vorsitzende des Vorstandes