Stuttgart, 22. September 2020 – Der Gründungsprozess der Pflegekammer Baden-Württemberg ist gestoppt. Angesichts der nicht vorhandenen Unterstützung der Landesregierung und des Landtags hat Sozialminister Lucha dem Druck der Kammerkritiker*Innen nachgegeben. Das bereits angelaufene Gesetzgebungsverfahren für eine Landespflegekammer in dieser Legislaturperiode, die im Frühjahr 2021 endet, wird auf Eis gelegt.
68%, die überwiegende Mehrheit der befragten Pflegenden, haben sich in einer repräsentativen Umfrage in aller Klarheit und im Bewusstsein der Konsequenzen für eine Pflegekammer in Baden-Württemberg ausgesprochen. Die größte Gruppe des Gesundheitswesens hat so deutlich wie nie zuvor gesagt: Wir verdienen eine eigene, machtvolle Stimme!
„Das Gesetzgebungsverfahren nun im finalen Stadium einzufrieren, ist eine Missachtung der Berufsgruppe, die mich zu tiefst schockiert,“ so Vorsitzende Susanne Scheck zur Ankündigung des Sozialministeriums.
Es sei an der Zeit, in aller Deutlichkeit zu sagen: Genug ist genug.
Politische Interessen und mögliche Machtoptionen über den klar artikulierten Willen einer gesamten Berufsgruppe zu stellen, macht sprachlos. Die beruflich Pflegenden in Baden-Württemberg haben nicht nur in der aktuellen Pandemielage deutlich ihre Systemrelevanz und ihre Bedeutung, u.a. auch für den Erhalt des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg, gezeigt.
Im vollen Bewusstsein der eigenen Gefährdungslage haben sich beruflich Pflegenden mit großem Engagement und bis zur Grenze ihres eigenen Leistungsvermögens für die unter Covid19 leidende Bevölkerung eingesetzt – ohne Forderungen zu stellen, ohne sich über das fast unmögliche Arbeitspensum zu beschweren. Die Pflege war da – wie so oft im Stillen, ohne Aufsehen zu erregen.
Die Systemrelevanz der Pflege schien der Politik in den ersten Monaten der Pandemie sehr bewusst zu sein – nicht nur in Baden-Württemberg. Es war die Sprache von Corona Prämien, verbesserten Arbeitsbedingungen, mehr Personal, einer Aufwertung des Images der Pflege und der Rolle im Gesundheitswesen.
Doch nun, noch mitten in der Pandemie, scheint die Politik an Gedächtnisverlust zu leiden. Die einzigen, von der Berufsgruppe selbst, klar geforderten Wünsche nach mehr Wertschätzung, Anerkennung, Mitsprache und Selbstverantwortung, werden durch das Einfrieren des Gesetzgebungsverfahrens unwiederbringlich missachtet.
Die Nicht-Institutionalisierung der pflegerischen Berufsgruppe durch eine Pflegekammer, die den anderen Kammern im Gesundheitssektor gleichgestellt ist, gefährdet in letzter Konsequenz die qualitativ hochwertige pflegerische Versorgung der Bevölkerung in Baden-Württemberg. Können wir uns dies in der aktuellen Lage wirklich leisten?
„Seit Jahrzehnten kämpfen professionell Pflegende darum gehört und ernst genommen zu werden. Wir sind die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen und dennoch diejenigen, die kaum Beachtung finden. Erneut werden wir Pflegenden entmündigt. Man stellt sich die Frage: Wer hat ein Interesse daran uns weiterhin klein zu halten? Die etablierte Ärzte- oder Apothekenkammer stellt auch niemand in Frage,“ äußert sich Vorsitzende Susanne Scheck abschließend.