Stuttgart, 15. Dezember 2021 – Rotkreuzschwester Petra Horrer, Bereichsleitung auf einer Covid-19-Station des Klinikverbunds Südwest schildert im Gespräch mit Katrin Keßler, Pressesprecherin WSSRK ihre Eindrücke der letzten Monate und der aktuellen Situation.

WSSRK: Seit wann sind Sie Mitglied der WSSRK und bei welchem Kooperationspartner sind Sie tätig?

Petra Horrer: „Ich bin seit 1986 Mitglied der WSSRK und arbeite im Klinikverbund Südwest im Bereich der Gastroenterologie mit Onkologie, Pneumologie und Infektiologie als Bereichsleitung. Unsere Covid-19-Station wurde im Februar 2020 in Betrieb genommen. Es handelt sich um eine Normalstation mit zusätzlichen Plätzen für die erweiterte Sauerstofftherapie in palliativen Situationen.

Mit Beginn der Pandemie wurde ein Krisenstab im Klinikverbund gebildet und unsere Abteilung wurde an unserem Standort aufgrund der ärztlichen und pflegerischen Fach-Expertise für SARS-CoV-2-positive Patienten ausgewiesen und entsprechend ausgestattet. Wir hatten vorher schon immer Patienten mit bestimmten Infektionskrankheiten betreut, das Fachwissen war vorhanden und wurde bzgl. Corona stetig in Form von Schulungen durch die Hygienefachkraft und durch unseren Chefarzt ausgebaut. Zudem fanden zu Beginn manchmal tägliche kurze Treffen des Teams statt um die Informationsflut zu bewältigen.“

Wie würden Sie die Arbeitssituation aus Ihrer Sicht beschreiben?

„Ich bin sehr stolz auf meine Mitarbeitenden des ganzen Teams, sie leisten großartige Arbeit, sowohl im Covid-19-Bereich als auch in der übrigen Klinik für Innere Medizin. Die Pandemie war bei uns wie überall geprägt von vielen Anpassungen und sich ändernden Prozessen. Meine Mitarbeitenden waren immer sehr flexibel und haben alle Entscheidungen und Festlegungen des Krisenstabes mitgetragen. Ich sehe uns fest aufgestellt in dieser 4ten Welle. Wir sind bereits von Beginn an beteiligt und haben viel Erfahrung in der Betreuung von SARS-CoV-2 positiven Patienten. Wir betreuen die Fieberambulanz gemeinsam mit der Zentralen Notaufnahme, die Desicion Unit und den eigentlichen Bereich unserer positiven Patienten.

Aus der Gesamtsituation in unserem Bereich resultiert natürlich auch meine Stimmung und Kraft – und hier bin ich zuversichtlich. Sowohl mein Team als auch der Klinikverbund als Unternehmen, hat immer alles getan um die eigene Sicherheit der Mitarbeitenden und die Versorgung unserer Patienten zu gewährleisten.

Wir haben von Beginn an mit Leasingkräften gearbeitet und auch neue Mitarbeitende eingestellt. Somit konnten wir in der Planung immer eine gute Besetzung aller Bereiche sicherstellen. Die Herausforderung lag dann natürlich fürs Stamm-Team der Abteilung darin, die neuen Mitarbeitenden möglichst gut und schnell einzuarbeiten. Das war ohne Zweifel anstrengend!“

Was wäre Ihr Weihnachtswunsch an die Politik bzw. an die allgemeine Bevölkerung?

Ich bin eine absolute Impfbefürworterin, deshalb wünsche ich mir natürlich, dass wir mit den Erst- u. Folgeimpfungen schnell vorwärtskommen. Wenn wir an die Situation in der ganzen Welt denken, sind nicht alle Länder mit diese Impfangeboten, wie wir sie haben, ausgestattet. Ich wünsche mir sehr, dass keine Mutationen entstehen, gegen die unsere bisherigen Impfstoffe wirkungslos sind! Ich wünsche mir, dass ungeimpfte Menschen, die noch hadern, mehr und mehr zu der Überzeugung kommen, sich schnellstmöglich impfen zu lassen.

Fühlen Sie sich als Pflegefachkraft wahrgenommen bzw. für Ihre Leistungen geschätzt?

Innerhalb meines Einsatzortes: Absolut ja! Für mich stellte die gute Planung und die Entscheidungen unseres Krisenstabes und die große Unterstützung unserer Pflegedienstleitung immer eine hohe Sicherheit für meine tägliche Arbeit dar. Diese kann ich somit auch immer direkt an meine Mitarbeitenden weitergeben. Mein Team ist bisher in allen Phasen der Pandemie sehr cool und besonnen geblieben. Sie haben wirklich Großes geleistet!

Wertschätzung von Seiten der Bevölkerung: Wenn ich jedoch seitens der Bevölkerung sehe, wie Schutzmaßnahmen und Corona-Regeln nicht eingehalten werden, oder wie von Seiten der Impfgegner teilweise aggressiv argumentiert wird, muss ich schon innehalten und frage mich, wie man solch eine Pandemiegeschehen in Abrede stellen kann! Wir sehen tagtäglich, was die Erkrankung bei Betroffenen und Angehörigen an Leid, Sorgen und Ängsten auslöst.

Was würden Sie gerne Menschen sagen, die sich nicht an die Corona Regeln halten oder die Verschärfung der Maßnahmen als übertrieben ansehen?

Vielleicht ist es für manche Menschen noch immer zu abstrakt, sich vorzustellen, was die ganzen Schutzmaßnahmen für jeden Einzelnen und für die Bevölkerung bewirken sollen. Leider kann man das Virus nicht sehen!

Klar ist aber, wer in dieser Pandemie sehr ernsthaft erkrankt und nach einer großen OP oder einem lebensbedrohlichen Geschehen (Herzinfarkt, Schlaganfall etc.) intensivpflichtige Therapie und Pflege benötigt, der kann unter Umständen mangels Intensiv-Pflegefachkraft und mangels Intensiv-Bettplatz nicht adäquat versorgt werden.

Alle Patienten, die eine wichtige geplanten Diagnostik benötigen und behandelt werden müssen, verlieren womöglich aufgrund dieser Situation wertvolle Zeit, die den Fortgang einer Erkrankung lebensbedrohlich beschleunigen könnte!

Menschen die nicht geimpft sind, erkranken oft deutlich schwerer an Corona als Geimpfte und werden dann Krankenhauspflichtig. Die Schwererkrankten laufen Gefahr, diese Intensivpflege-Betten und Beatmungsplätze zu benötigen – und das für meist für sehr viele Behandlungstage. Das legt die Behandlung aller anderen Patienten in gewisser Weise lahm und ist natürlich für jeden kranken Menschen der uns dringend benötigt eine Katastrophe.

Wer die Corona-Regeln nicht aus eigenem Verantwortungsbewusstsein bestmöglich an den Tag legt, der benötigt die Unterstützung in Form von Gesetzen, Verordnungen, Regeln und Kontrollen – dies ist im Pandemiefall einfach so. Das darf dann nicht als Gängelung oder Diskriminierung deklariert werden!

Als wichtigste Punkte wünsche ich mir von der Bevölkerung den ernsthaften Umgang mit den Schutzmaßnahmen, mit den Impfungen und mit uns Klinikmitarbeitenden als wichtigste Ressource in der Krankenbehandlung – und Versorgung in dieser Pandemie. Für meinem Team und mich wünsche ich mir weiterhin die Ausdauer und die Gelassenheit, mit der Situation so umzugehen wie wir es bisher praktiziert haben und vor allem wünsche ich mir, dass wir alle gesund bleiben und nicht aussteigen.

Das Gespräch wurde Mitte Dezember 2021 geführt. Nach Abschluss des Interviews fügte Frau Horrer per E-Mail noch hinzu, dass Sie sich wünsche auf Ihrer Station keine Triage anwenden zu müssen.